Sep 192012
 

Zuerst spricht der Verbandsvorsitzende, Beifall, dann der Kultusminister,bzw. sein Staatsekretär, der eingesprungen ist, weil der Minister dringend verhindert ist, Beifall, dann der Bürgermeister, der Hochschulpräsident, Beifall, der Fachwissenschaftler, dazwischen Vorspiele verschiedener Schulensembles, Beifall. Das ist für gewöhnlich die Dramaturgie einer Kongresseröffnung.

Eröffnung. Foto: Kolb

Zwerchfellaktivierung statt langer Reden: Der 1. Bundeskongress Musikunterricht begann in Weimar.

Nichts davon in Weimar bei der Eröffnung des 1. gemeinsamen Bundeskongresses Musikunterricht der beiden fusionswilligen Verbände VDS (Verband deutscher Schulmusiker) und AfS (Arbeitskreis für Schulmusik) in Weimar. Der Bundesvorsitzende des AfS, JürgenTerhag, startete anders: Leger gekleidet mit grünen Hosen, einem weißen Jackett und hellen Sneakers eröffnete den Kongress für alle überraschend mit einer gemeinsamen Vokalraumaktivierung, auf die eine gezielte Zwerchfellaktivierung folgte. Nach rhythmisiertem „f-f-f“ folgte die kontrollierte Ausatmung auf sssssssss. Danach war der Bann gebrochen, die im Halbkreis arrondierten Kongress-Teilnehmer ließen sich ohne Widerstand in einen Flüstercluster, zunächst einstimmig, dann als Kanon dirigieren und folgten Terhag mühelos über den Parnass der improvisierten Mehrstimmigkeit.

„Vision, Irritation, Moderation – Verbandsfusion“. Oder: „Irritation, Konfusion, Transpiration – Kongressfusion“: das war der Text der Kadenz, die Jürgen Terhag mit seinen „Schülern“ aus dem Stegreif reimte und sang. 

Telefonieren über die Zukunft ihrer Verbände (v.li.): Die Bundesvorsitzenden Ortwin Nimczik (VDS) und Jürgen Terhag (AfS)

Wer nach diesem lebendigen Start auf die nun wirklich überfälligen Reden wartete, wurde abermals „enttäuscht“. Denn mitten im Dirigat klingelte – wie peinlich – Terhags Mobiltelefon, ein fingierter Anruf seines Bundesvorsitzenden Ortwin Nimczik vom VDS, und es entspann sich ein in die Halle übertragenes, launiges Gespräch zwischen den beiden: Über den Kongress, über Schulen, die ihre Lehrer für diese Fortbildung nicht freigestellt hatten, über die Schwierigkeiten und Freuden einer Verbandsfusion und auch der familiäre Geburtstagsgruß an die ehemalige Bundesgeschäftsführerin Brigitte Frank zum 85. durfte nicht fehlen.

Ortwin Nimczik ließ es sich nicht nehmen, mit Stolz in der Stimme einige Zahlen zu nennen:„1.500 Anmeldungen, 380 Veranstaltungen, 20 Konzerte , 240 Referenten“ – und später dann im Pausengespräch: „eine Fortbildung für 100 Euro, für die man auf dem freien Markt auch das zehnfache bezahlen kann.“

Der Kongress hat begonnen und mit dieser Eröffnung haben die Schulmusiker gezeigt, dass sie etwas von einem zeitnahen, lebendigen und interessanten Unterricht verstehen. Die Besorgnis über den Zustand des Faches Musik, das bundesweit mit Stundenausfällen und mit zu wenig Musiklehrernachwuchs zu kämpfen hat, oder auch mit der ungeliebten Verschmelzung des Faches in musisch-ästhetische „Gegenstandbereiche“, wurde dagegen nur am Rande ausgedrückt. Vor diesem kulturpolitischen Hintergrund muss man die Podiumsdiskussionen des morgigen Tages sehen, zu der auch der thüringische Kultusminister Christoph Matschie erwartet wird – oder doch sein Stellvertreter?

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