„Bildung – Musik – Kultur – Zukunft gemeinsam gestalten“, so hieß die erste große Diskussionsrunde am zweiten Tag des Bundeskongresses Musikunterricht in Weimar. Beinahe hätte sie auch nach einem bekannten Festival Neuer Musik in Stuttgart benannt werden können, das Wert auf den Èclat legt. Denn von Gemeinsamkeit war zunächst wenig zu spüren, fühlten sich doch die Vertreter der beiden großen Schulmusikverbände vom Deutschen Musikrat düpiert.
Trotz angeblicher Zusage von Musikratspräsident Martin Maria Krüger durften sie den am 14. September 2012 verabschiedeten 4. Appell des Deutschen Musikrates, der schon fix-fertig gelayoutet vorlag, nicht drucken und auf ihrem ersten gemeinsamen – und deshalb historischen – Kongress vorstellen. Die Mehrheit der 16 Landesmusikräte hatte gegen eine Veröffentlichung gestimmt. Man wollte sich wohl nicht die PR-Butter vom Brot nehmen lassen, sondern sie für die Mitgliederversammlung am 18. und 19.Oktober aufsparen.
Eine Ohrfeige für Deutschlands versammelte Musikpädagogen, die was das Thema Föderalismus angeht, sowieso gebrannte Kinder sind. Denn wie schwierig die Arbeit eines bundespolitischen Fachverbands sich darstellt, wenn die Bildung und Schule Ländersache sind, ist bekannt.
Zurück zur Podiumsdiskussion„Bildung – Musik – Kultur – Zukunft gemeinsam gestalten“. Kultusminister Christoph Matschie war gekommen – trotz gegenteiliger Befürchtungen des Blog-Autors in seinem gestrigen Beitrag – und er hatte nicht nur Wort gehalten, sondern überzeugte durch ehrliche Beiträge zu den angesprochenen kritischen Themen in Fragen der Ausbildung, der Schulzeitverdichtung, der Rolle der musikalischen Bildung im Freistaat Thüringen.
Wie schon bei der unkonventionellen Kongresseröffnung hatte man auch diese Podiumsveranstaltung anders konfiguriert, als dies sonst üblich ist. Das fing schon mit der Wahl des Moderators Matthias Pannes an. Dieser ist Geschäftsführer des Verbandes deutscher Musikschulen, und in dieser Eigenschaft ganz und gar nicht unparteiisch. Vor zehn Jahren wäre es sicher unvorstellbar gewesen, dass ein Musikschulverbandschef, die Oberen der Schulmusikerverbände bei deren eigenem Kongress moderiert. Und dies tat er nicht nur eloquent und dicht an der Sache, sondern auch wieder ungewöhnlich, indem er jeden Diskutantenten anstelle eines Eingangsstatetement erst einmal aufforderte, die Kernworte des Kongress-Mottos „Bildung – Musik – Kultur – Zukunft gemeinsam gestalten“ zu einem neuen Satz umzuformulieren.
Der AfS-Bundesvorsitzende Jürgen Terhag machte daraus etwa: „Wenn wir die musikalische Bildung nicht gemeinsam gestalten, dürfen wir nicht jammern, wenn die Kultur in Zukunft Schaden nimmt“. Sein Kollege Ortwin Nimczik vom VDS formulierte es positiver: „Wenn die musikpädagogischen Verbände ihre Zukunft gemeinsam gestalten, dann ist mir um den Dreiklang ‚Bildung – Musik – Kultur‘ in der Schule nicht bange.“
Minister Matschie betonte, dass das Fach Musik, das in Thüringen mit immerhin einer Wochenstunde gewährleistet ist – Zielperspektive seien zwei Wochenstunden -, auch an der Grundschule als Fach bleiben müsse, und nicht durch ästhetische Gegenstandsbereiche abgelöst werden könne. Mehr als früher müsse man man heute jedoch den Musikunterricht und den Instrumentalunterricht zusammen denken. Einig war er sich mit den Verbandsvertretern, dass guter Unterricht nur möglich ist, wenn er auf den Fundamenten Kindergarten und Grundschule aufbauen kann. Dieser Forderung würde der neue Bildungsplan Thüringens für Kindergärten und Grundschule gerecht.
Überraschend geringe Widerrede von Seiten des Ministers kam auf die Generalkritik Terhags am zentralen „Hindernis“ Föderalismus. Matschie sprach sich auch für die Fixierung nationaler Bildungsstandards bei gegebener Gestaltungsfreiheit durch die Länder aus. Wichtig sei ihm, die Menschen „nicht nur als Fachkräfte zu sehen“, an denen es derzeit ja mangele, sondern als Ganzes, zu dem eben eine musische und musikalische Ausbildung gehöre. Das kann – für heute – als vorläufiges Schlusswort zu den Gesprächen auf dem 1. Bundeskongress Musikunterricht in Weimar gelten.
…offensichtlich starke Dissonanzen zwischen Schulmusikverbänden und Deutschem Musikrat. Während sich der VDS-Vorsitzende Ortwin Nimczik der Zustimmung von Musikratspräsident Martin Maria Krüger zur Veröffentlichung des Bildungs-Appelles im Rahmen des gemeinsamen Kongresses von AfS und VDS sicher wähnte, sagt Krüger im nmz-Gespräch, er hätte zusammen mit den Landesmusikräten der Veröffentlichung widersprochen. Hintergrund: Der Deutsche Musikrat will ein vierteiliges erweitertes Grundsatzpapier zur musikalischen Bildung bei seiner Mitgliederversammlung Mitte Oktober beschließen lassen und der Kultusministerkonferenz in einer Pressekonferenz präsentieren. Zur weiteren Verwirrung trägt bei, dass der Deutsche Musikrat heute in Wien, wie seiner Pressemitteilung zu entnehmen, gemeinsam mit den Musikräten von Österreich und der Schweiz „vier Forderungen zu musikalischen Bildung“ veröffentlichte, die – in Kurzform wesentliche Inhalte des VDS-AfS-Appelles enthalten. Solche Konfusion schadet der gemeinsamen Sache. Mit Sicherheit wäre der AfS-VDS-Kongress eine kulturpolitisch betrachtet sehr sinnvolle Plattform für die Präsentation schulmusikalischer Forderungen gewesen. Das Orchester des deutschen Musiklebens bedarf wohl noch etlicher Tutti-Proben, um akzeptabel auftreten zu können. Schade um die vertane Chance – aber der Kongress wird mit Sicherheit noch viele andere Früchte tragen…
Das hier Unterstellte entspricht in Bezug auf die Konferenz der Landesmusikräte nicht den Tatsachen. Die Konferenz der Landesmusikräte hat sich in einem Beschluss vom 14. September in Kiel lediglich dafür ausgesprochen, dass eine von ihr erarbeitete Denkschrift zur musikalischen Bildung zusammen mit dem 4. Appell des Deutschen Musikrats unter dem Titel „Musikalische Bildung in Deutschland“ veröffentlicht wird. Auf diesen Bundeskongress hat sie keinerlei Bezug genommen und schon gar nicht ein Papier Anderer zurückgehalten. Dass man die Gremien schon einmal durcheinander wirft, wäre als Verwechslung noch verzeihlich, würde dieses nicht zu einem Hieb gegen den Föderalismus gemünzt werden.
Dr. Robert v. Zahn, Generalsekretär, Landesmusikrat NRW
…also: Ich habe nichts unterstellt sondern Informationen „aus erster Hand“ – nämlich vom Präsidenten des DMR – verwendet. Und keinesfalls föderalismuskritisch sondern mit gewissen Zweifeln am kulturpolitischen Sinn solchen Vorgehens ankommentiert. Und ich bleibe dabei: Dieser Weimarer Kongress wäre ein sehr guter öffentlichkeitswirksamer Anlass für grundsätzliche politische Forderungen und Stellungnahmen in Sachen Schulmusik gewesen – und ist es nebenbei bemerkt ohnehin – auch ohne „Papierform“….
Bei dem erwähnten Beschluss der Konferenz der Landesmusikräte handelt es sich nicht um Kolportage, sondern um einen schriftlich formulierten Text. Naturgemäß kann in diesem Zusammenhang nur dieser Text eine Quelle „erster Hand“ sein. Und in dem Text ist nicht zu finden, dass die Landesmusikräte gegen die Veröffentlichung des Berliner Appells, formuliert vom Bundesfachausschuss Musikalische Bildung des Deutschen Musikrats, gestimmt hätten. Warum sollten sie auch? Somit ist der nachfolgende Teil des Artikels auch hinfällig: „Die Mehrheit der 16 Landesmusikräte hatte gegen eine Veröffentlichung gestimmt. Man wollte sich wohl nicht die PR-Butter vom Brot nehmen lassen, sondern sie für die Mitgliederversammlung am 18. und 19.Oktober aufsparen. Eine Ohrfeige für Deutschlands versammelte Musikpädagogen, die was das Thema Föderalismus angeht, sowieso gebrannte Kinder sind. Denn wie schwierig die Arbeit eines bundespolitischen Fachverbands sich darstellt, wenn die Bildung und Schule Ländersache sind, ist bekannt.“ Die bemerkenswerte Kette von Aussagen ist Makulatur.
Robert v. Zahn